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„Ich weiß nicht was ich noch machen soll!“ sagte Frau Kalb verzweifelt. „Das geht jetzt schon seit Stunden!“ Ihr Mann versuchte sie zu beruhigen: „Es wird schon alles gut gehen! Denkst du nicht auch, dass es für Melanie besser wäre, wenn sie wieder sprechen könnte?“ „Natürlich, aber das der Psychologe so lange braucht! Er ist wirklich der Letzte, der uns noch helfen kann!“ Nach einer weiteren Stunde kam Dr. Reinhard mit Melanie aus dem Behandlungszimmer. Frau Kalb schaute ihn hoffnungsvoll an. Doch sie erntet nur ein weiteres Kopfschütteln, wie von allen Ärzten und Psychologen, die sie aufgesucht hatten.
Als die drei zu Hause waren und Melanie ins Bett gegangen war, besprachen Herr und Frau Kalb die schwierige Situation. „Schatz, wir finden schon eine Lösung! Da bin ich mir ganz sicher!!!“ versuchte Herr Kalb seine Frau aufzuheitern - vergeblich. „Wir versuchen schon seit sieben Jahren, nach diesem schrecklichen Unfall, eine Lösung zu finden! Immer ohne Ergebnis!“ erwiderte Frau Kalb aufgelöst. „Wir dürfen die Hoffnung jetzt nicht aufgeben!“ schärfte Herr Kalb ihr ein. „Aber wir haben doch schon alles versucht! Kinderärzte, Psychologen – wir waren sogar schon beim Therapeuten! Alle haben gesagt, dass Melanie ein so schweres Trauma nach dem Unfall gehabt hat – und immer noch hätte! Wo sollen wir denn noch hingehen?!? Es ist hoffnungslos!“ Frau Kalb schrie fast. Doch Herrn Kalb war eine Idee gekommen – vielleicht die letzte Rettung. „Was ist mir Pfarrer Resch? Wir waren bei allen medizinischen Spezialisten; nur nie bei einem Geistlichen!“ sprach Herr Kalb. Frau Kalb schaute ihren Mann verblüfft an: „Wie sollte uns einer von der Kirche schon helfen können? Wir haben doch auch sonst mit der Kirche nichts am Hut!“ Doch Herr Kalb ließ sich nicht beirren: „Schon, aber er hat unsere Melanie auch getauft – ich meine, nachdem ihre Eltern bei dem Autounfall ums Leben kamen. Da war sie ja gerade erst sechs Jahre alt! Wir müssen es versuchen!!!“
Am nächsten Tag gingen Herr und Frau Kalb mit Melanie zur evangelischen Kirche. Dort hatten sie sich mit Herrn Resch verabredet. Er begrüßte sie freundlich: „Hallo, wie kann ich ihnen helfen?“ „Es, es geht um unsere Tochter Melanie. Sie, ähm, sie hat ein Problem.“ sagte Frau Kalb verlegen. „Nun Melanie, wie alt bist du denn?“ fragte Herr Resch Melanie. Als sie nicht antwortete, verstand der Pfarrer. Er wandte sich an Herrn Kalb: „ Sie kann nicht sprechen.“ „Ja, wir haben schon alles versucht, aber es hat nichts geholfen. Sie ist nun schon dreizehn, aber seit ihrem sechsten Lebensjahr, nachdem ihre Eltern tödlich verunglückt sind, hat sie kein Wort mehr gesprochen.“ Herr Resch dachte nach. Dann wollte er gerne mit Melanie allein sprechen. Die Eltern von Melanie gingen nach Hause. „Glaubst du es klappt?“ fragte Frau Kalb. „Ich hoffe es.“ antwortete ihr Mann.
„Glaubst du an Gott?“ fragte Herr Resch Melanie. Die schüttelte mit dem Kopf. Das hatte sich Herr Resch schon gedacht. „Warum nicht?“ Melanie antwortete nicht. „Weil Gott deine Eltern nicht beschützt hat.“ Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Melanie nickte wortlos. „Weißt du, früher habe ich auch nicht an Gott geglaubt. Auch meine Eltern sind sehr früh gestorben. Beide wurden im Krieg umgebracht. Ich hatte damals eine sehr schwere Zeit, aber ich habe die Hoffung nie verloren, sie eines Tages wieder zu sehen. Und diese Hoffung gab mir Kraft, mein Leben weiter zu leben. Nach meiner Konfirmation habe ich beschlossen, Pfarrer zu werden. Ich wollte meine Kraft anderen Menschen weitergeben.“
Melanie hatte ihm aufmerksam zu gehört und sah betroffen aus. Sicher hatte sie mit allem gerechnet, doch nicht damit, dass ein Pfarrer ihr seine Lebensgeschichte erzählen würde. Sie wollte ihm etwas sagen, doch genau in diesem Moment klingelte es an der Tür. „Entschuldigung. Bin gleich wieder da!“ sagte der Pfarrer. Vor der Tür standen die Eltern von Melanie. „Einen Moment, wir sind gleich fertig!“ erklärte er den Eltern. „Kommen sie doch herein.“ Zurück bei Melanie sagte er: „Ich würde dir gerne meinen Denkspruch mitteilen: Jesus sagt:
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Waren deine Eltern gläubig?“ Melanie nickte. „Dann wirst du sie wieder sehen!“ „Melanie ist ein sehr schlaues Kind. Sie hat Fortschritte gemacht!“ erklärt Herr Resch Melanies Eltern. Die konnten es gar nicht glauben. Melanie hatte zwar noch nicht gesprochen, doch sie sah viel glücklicher aus. Auch Frau Kalb, die am Anfang noch nicht so ganz von den Methoden des Pfarrers überzeugt gewesen war, begann dem Pfarrer zu vertrauen. „Ich würde mich morgen gerne noch einmal mit Melanie unterhalten... Wenn es ihnen nichts ausmacht, natürlich!“ sagte Herr Resch. Herr und Frau Kalb stimmten zu.
„Hallo, Melanie! Na, wie war die Schule?“ Herr Resch traf sich erneut mit Melanie. Doch auch dieses Mal bekam er keine Antwort. „Hm, willst du vielleicht etwas trinken? Apfelsaft, Cola oder Mineralwasser?“ versuchte er es nochmals. Er erhielt keine Antwort, doch Melanie hatte beim Wort Cola genickt. Er holte das versprochene Getränk und begann zu erzählen: „ Mein Vater hat mich früher immer auf den Arm genommen und ich weiß noch, dass er mich kurz vor seinem Tod getröstet hat, als mein erstes Haustier starb. Zwei Tage nach dem Tod meines Vaters, starb auch meine Mutter. Sie muss es wohl geahnt haben, denn am Abend zuvor hat sie mich mit einem besonderen Segen versehen. Sie sagte:
Möge dein Weg dir stets entgegenkommen,
möge der Wind dir im Rücken sein,
möge der Regen sanft auf dein Haar fallen
und die Sonne dir ins Gesicht scheinen,
und bis wir uns wieder sehen,
halte Gott dich in seiner Hand.
Mir ist immer noch nicht klar, warum sie das zu mir gesagt hat!“ Herrn Resch waren die Tränen in die Augen gestiegen, als er Melanie das erzählte. Und zum ersten Mal seit sieben Jahren sprach sie ein Wort: „Liebe!“ sagte sie.
Eine Zusendung von Julia Ulmer
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