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Seit dem Jahr 2020 veröffentlichen die beiden Jugendforscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann halbjährlich die Trendstudie „Jugend in Deutschland“. Für die Trendstudie des zweiten Halbjahres 2022 wurden im Monat Oktober 1027 junge Menschen in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen befragt.
Es war die bisher größte Krise in der Geschichte der noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Die Coronapandemie verursachte ein Szenario, wie es gerade Jugendlichen nur aus dystopischen Science-Fiction-Filmen bekannt ist. Die Pandemie ist noch nicht einmal richtig ausgestanden, da beginnt ein Krieg quasi vor der Haustür Europas, der durch die wirtschaftlichen Folgen eine Inflation auslöst, die gleichermaßen nie zuvor erlebt wurde. Zugleich werden die Folgen der Klimaerwärmung immer deutlicher spürbar. Aus einer scheinbar noch weit entfernten Zukunft wird mit jährlich zunehmenden Naturkatastrophen plötzlich Realität. Selbst für ältere Personen mit einem gefestigten Weltbild und einem entsprechenden Erfahrungsschatz ist die Situation hoch belastend. Für junge Menschen brach oder bricht eine Welt zusammen. Eine Welt, die sich vor dem Jahr 2020 für die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen recht positiv darstellte.
Wenn die Psyche nicht mehr mitspielt: seelische Probleme bei Kindern & Jugendlichen
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Pläne wurden geschmiedet. Schüleraustausch, der große Urlaub nach dem Abi, die Karriere im neuen Job. Alles weg oder auf die lange Bank geschoben. Solche über den Haufen geworfenen Pläne sind zwar bedauerlich, doch nicht die Auslöser für das, was die Forscher Schnetzer und Hurrelmann in ihrer Trendstudie feststellen mussten. Gut ein Viertel der Befragten sahen sich unzufrieden mit ihrer psychischen Gesundheit.
Es ist dieser Mix aus Pandemie, Krieg, Inflation, Klima sowie Politik, der sich wie ein Tunnel vor den jungen Menschen öffnet. Ein Tunnel ohne Notausgang. Denn dieser Mix findet nicht einfach nur in der digitalen Welt der Smartphones und Laptops statt. Er ist jeden einzelnen Tag tatsächlich vorhanden. Die Lebensqualität leidet und nie war die Zukunft ungewisser als heute, im zweiten Halbjahr 2022.
In der Jugendstudie führten die Befragten an erster Stelle mit 71 % den Kaufkraftverlust durch die Inflation an. Gefolgt vom Ukraine-Krieg mit 64 % sowie dem Klimawandel mit 55 %. Dass die Inflation ganz oben steht, ist kein Wunder, denn die Anzahl der jungen Menschen in Deutschland mit ausreichend finanziellen Mitteln schwindet auch ohne das jetzige Krisenszenario von Jahr zu Jahr, was der ebenfalls dieses Jahr erschienene Monitor Jugendarmut der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAGKJS) aufzeigt.
Für junge Menschen bedeutet der Verzicht der letzten zwei Jahre auf viele Ereignisse durch die Einschränkungen aufgrund der Pandemie viel mehr als für ältere Personen. Es wären vielleicht Erlebnisse gewesen, die ihrem Leben einen anderen Verlauf gegeben hätten. Zumindest aber ist nun eine Lücke vorhanden, die mit Quarantäneregeln, Masken tragen und einer fast ununterbrochenen Corona-Befeuerung durch die Medien gefüllt wird. Eine Lücke, in der sich zum Beispiel ein grandioses Open-Air oder der erste eigenständige Urlaub finden sollten. Das sind durchaus wichtige Weg-Marken. Welche ältere Person besitzt keine solchen Erinnerungen und wer denkt nicht gerne daran zurück? Dabei darf nicht vergessen werden, dass junge Menschen ein anderes Zeitgefühl als ältere Generationen besitzen. Mit 60 Jahren verfliegen ein oder zwei Jahre mühelos, ohne größere Spuren zu hinterlassen. Mit 18 Jahren ist jede Stunde wertvoll und ein Jahr kann eine kleine Ewigkeit sein.
Den Nährboden für die häufige Aussage in der Trendstudie, die psychische Belastung nicht mehr auszuhalten, legte zweifellos die Coronapandemie. Dass jetzt, fast zwei Jahre später, die Gemengelage noch viel unübersichtlicher ist, sorgt dafür, dass viele junge Menschen dazu neigen, weniger auf die Zukunft ausgerichtet zu sein und sich verstärkt der Gegenwart zu widmen. Dabei verstärken sich negative Aspekte gegenseitig. Weiteren Sorgen wird mehr Platz eingeräumt als etwa positiven Gedankengängen. Eine wichtige Rolle nimmt hierbei der Medienkonsum der jungen Menschen ein. Dieser stieg in den Lockdown-Zeiten gewaltig an und senkt sich nur sehr langsam, zumal jetzt zwar vieles wieder geöffnet ist, nun aber das Geld dafür fehlt. Was aber wird speziell in den sozialen Medien verbreitet? Harte Fakten und Thesen zum Krieg in der Ukraine, der Klimaerwärmung, der Inflation und all deren möglichen negativen Folgen. Ein „Worst-case scenario“ auf den Plattformen generiert nun einmal die meisten Klicks. Bei jungen Menschen ohne viel Lebenserfahrung erzeugt dies ein Gefühl der Ausweglosigkeit, wozu sich also noch anstrengen? Das spiegelt sich in der Umfrage wider. Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Depression und Selbstzweifel gehören zu den häufigsten Antworten nach der Frage zu den Belastungen.
Den jungen Menschen wieder Zuversicht geben wird ein hartes und zugleich enorm wichtiges Stück Arbeit. Diese Generation der 14- bis 29-Jährigen steht in den Startlöchern, die Nachfolge ihrer Mütter und Väter zu übernehmen. Zu welchen Entscheidungen werden jedoch die Erwachsenen der Zukunft kommen, wenn ihr Lebensbild so negativ geprägt ist? Eine mögliche Folge ist zum Beispiel die Abschottung, in der Hoffnung, sich selbst schützen zu können. Eine andere Folge könnte vermehrte Aggressivität sein, gleichermaßen um sich vermeintlich zu schützen.
Als im Jahr 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, hatte die damalige sogenannte Weimarer-Republik viele Krisenjahre hinter sich. Natürlich hinkt der Vergleich zu den Verhältnissen in der heutigen Bundesrepublik Deutschland, aber die Gefahr einer Diktatur ist niemals gebannt. Wenn die Jugend eines Landes eher pessimistisch als optimistisch in die Zukunft blickt, wird sie einen Hoffnungsträger suchen, dem sie vertrauen will, auch wenn es der berühmte Wolf im Schafspelz ist. Positiv gestimmte junge Menschen hingegen werden ihre Zukunft nicht radikal verändern wollen.
Es lohnt sich, in die Jugend zu investieren und den jungen Menschen zu zeigen, dass sie eine Zukunft haben. Dazu müssen die aktuellen Krisen gemeistert werden und hierzu sollte die Jugend miteinbezogen werden. Die bestehende Ohnmacht der jungen Menschen, die in den letzten zwei Jahren nur Zuschauer und gezwungen waren, die politischen Entscheidungen zu tragen und vor allem zu ertragen, sollte in eine Beteiligung an der Konfliktlösung umgewandelt werden. Allein daraus ergibt sich ein Gefühl der Anerkennung und damit das Bewusstsein um ein gesteigertes Selbstwertgefühl. Einfach zu wissen, dass die Zukunft auch in den Händen der Jugend liegt, die schließlich einmal darin leben wird.
Dezember 2022
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