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Gruselgeschichten am Lagerfeuer

Mutprobe

Hirschklaue und Schneller Falke wanderten träge am Ufer des großen Stromes entlang. Es war einheißer, ermüdender Frühlingstag. Die Sonnenstrahlenverdunsteten das Wasser aus den Sümpfen in der nahen Ebene.Das machte die Luft schwül und lahmte jede Tätigkeit.Trotzdem entging den Augen der beiden Jungen vom Stamme der Mohikaner nichts von dem, was sich unterwegs ereignete. Sie sahen die Forellen, die in einem Flußtobel gegen das strömende Wasser anschwammen. Sie entdeckten das Reh, das noch sein Winterfell trug, ehe es sich hinter den dichten Erlenbüschen verbarg, die am Rande des Sumpfes wild und üppig wucherten.Auch den Adler beobachteten sie, der majestätisch über dem Gipfel des Berges zu ihrer Rechten schwebte. Sein heiseres Geschrei war der einzige Laut neben dem Rauschen des Flusses, der sich hier am Fuße des Berges sein Bett durch das Gestein gegraben hatte. In tosenden Wirbeln" sprang die Flut über die Felsblöcke, die aus der Bergflanke heraus gebrochen und in das Flußbett gepoltert waren. „Der Adler sucht nach Beute!"deutete Hirschklaue das Geschrei des Raubvogels. „Ich bin froh, daß ich kein Kaninchen bin", setzte er hinzu. Der große Vogel erinnerte Hirschklaue aber auch an etwas anderes.„Weißt du!" sagte er zu Schneller Falke, „seit wir unseren Club gegründet haben, hat uns Adlerfeder immer mit Bewunderung beobachtet. Ich glaube, daß er gern zu uns gehören würde." — „Vielleicht sollten wir ihn zu unserem geheimen Treffpunkt einladen", setzte er hinzu.„Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn er sich unserer Sippe anschließt."

Adlerfeder war unter seinen Altersgenossen beliebt. Beim Spiel war er draufgängerisch, dabei aber immer fair. Wo es zuzupacken galt und wo man seine Hilfe brauchte, zögerte er nie. Erst vor ein paar Tagen hatte er ein kleines Mädchen gerettet, das beim Spiel in den Fluß gefallen und in die Stromschnellen getrieben worden war. Obwohl Adlerfeder die Gefahr kannte, die ihm in den Wirbeln und Strudeln drohte, hatte er keinen Augenblick gezögert, dem Kinde nach zu springen. Er hatte schwer zukämpfen gehabt. Aber dann konnte er das lange Lasso fassen,das ihm ein paar Männer des Stammes zuwarfen. Völlig erschöpft, aber glücklich über die gelungene Rettung, hatten sie ihn ans Ufer gezogen. Trotzdem zögerte Schneller Falke mit einer Antwort. Solche Dinge mußten sorgfältig überlegt werden. Nicht umsonst hatte die Gruppe geschworen, ihr Geheimnis zu hüten, und die Aufnahme neuer Mitglieder niemals zu übereilen. „Ich bin auch damit einverstanden, daß Adlerfeder ein Glied unserer Sippe wird", sagte er schließlich. „Aber es scheint mir nicht weise, wenn wir ihn gleich zu unserem geheimen Treffen einladen. Laß uns erst mit den anderen reden und dann beschließen, was zu tun ist."

An diesem Abend, kurz nach Eintritt der Dunkelheit, trafen sich eine Anzahl Indianerjungen an ihrem geheimen Treffpunkt. Sie alle gehörten zum Stamme der Stockbridge-Indianer, der sich vor vielen Monaten an dem großen Flusse angesiedelt hatte. Durch ihre Großväter und Väter wußten die Jungen aber von der ruhmreichen Vergangenheit ihrer Ahnen. Diese siedelten vor langer, langer Zeit an den Ufern des Hudson und gehörten zu den ersten Rothäuten, die den Weißen begegneten, als diese mit ihren „Großen Kanus" über das große Wasser gekommen waren. Abends erzählten die Alten am Lagerfeuer von den Heldentaten der Mohikaner. So hatte sich ihr großes Volk damals genannt; und unter diesem Namen war es beiden Weißen berühmt und gefürchtet gewesen. In Erinnerung an diese Zeit hatten die Jungen ihrem Club den Namen gegeben: Die Mohikaner. Und keiner sollte zu diesem Club gehören, der sich nicht durch eine besondere Tat ausgezeichnet hatte. Es war eine mondlose Nacht. Der Schein des Lagerfeuers konnte nicht durch den dichten Wald dringen. Dennoch fanden die Jungen ihren Weg durch beinahe undurchdringlichen Forst.„Warum hat die Eule geschrien?" fragte einer, als keiner der schweren Steine mehr leer war, die die Jungen in mühsamer Arbeit herbeigeholt und als Sitze im Ring aufgebaut hatten.„Ich schlage vor, daß wir Adlerfeder zu unserem Mitglied machen!" sagte eine Stimme aus der Finsternis heraus.„Ich bin einverstanden!" „Einverstanden!"

„Das wollte ich auch schon vorschlagen!" klang es von den verschiedenen Plätzen. „Wie sollen wir ihn einführen?" fragte die erste Stimme wieder. „Wer hat einen guten Vorschlag?" „Laßt ihn ein paar Tage lang allein im Walde schlafen!" schlug Schneller Falke vor. Es gehörte schon Mut dazu, außerhalb des Indianerdorfes ein paar Nächte im wilden Forst zu hausen, denn es konnte durchaus geschehen, daß sich im Dunkel der Nacht ein Bär oder ein Wolf an das Waldlager heranschlich. Aber seit der Stamm seine Tippis in der Flußniederung aufgeschlagen hatte, war das weniger wahrscheinlich. „Das ist zu leicht!" entgegnete darum Silberner Wolf. „Stellt ihm die Aufgabe, in den Sümpfen eine Klapperschlange zu fangen", schlug er selber vor. Alle wußten, daß eine Portion Mut dazu gehörte, dem giftigen Reptil nachzustellen und es schließlich zu greifen.Darum äußerten sich einige zustimmend. Aber da kam nochein anderer Vorschlag: „Laßt ihn ein paar Eier aus dem Adlernest holen!" sagte eine Stimme, die bisher nicht zu hörengewesen war. „Ja, laßt ihn Adlereier holen!" stimmte Hirschklaue zugleich zu. Schnell schlössen sich ihm die anderen an: „Jawohl! Er soll die Eier aus dem Adlernest holen!" Noch in der Nacht wurde Adlerfeder von dem Beschluß der Sippe unterrichtet. Um Mitternacht schrie vom Rande des Waldes her eine Eule. Ein Dutzend Jungen hatten auf diesen Ruf gewartet. Nun wußten sie: Adlerfeder war bereit, das zu tun, was ihm als Aufgabe gestellt worden war. Am nächsten Morgen, die Sonnestand noch so tief, daß ihre Strahlen erst den Gipfel des hohen Berges beleuchteten, waren die Jungen schon unterwegs. Auf steilen, aber wohlbekannten Pfaden stiegen sie zur Höhe des Gebirgsstockes, in ihrer Mitte Adlerfeder, der seinen Mut beweisen sollte, ehe man ihn zum Mitglied der Mohikaner erklärte. Nachlangem, mühsamem Aufstieg erreichten sie eine Felsenklippehoch über dem Platz, auf dem die Adler ihren Horst gebaut hatten. Einer der Jungen entrollte ein langes Tau, das er bisher über den Schultern getragen hatte. Ein anderer band Adlerfeder einen kleinen Korb auf den Rücken, in den sollte er die Adlereier legen, wenn er den Horst der Vögel erreicht hatte. Wenige Augenblicke später stand Adlerfeder in der Schlinge, die man ans Ende des Taus geknotet hatte, und rutschte über die Kante der Felsklippe, auf der die anderen standen und das Seil hielten. Schnell ließen sie es jetzt durch ihre Händegleiten. Adlerfeder sah nichts mehr von den Kameraden. Nur einer der Jungen stand seitlich auf einem Platz, von dem aus man Adlerfeder bei seinem kühnen Wagnis beobachten konnte. Durch ein Handzeichen sollte der bestimmen, wenn die Kameraden anzuhalten hatten. Noch glitt Adlerfeder an dem sicheren Tau vor der rotbraunen Felswand tiefer und tiefer. Aber jetzt konnte er das Adlernest sehen. Die steilabfallende Wand war hier ein gutes Stück nach innen eingeschnitten. Unter dem überhängenden Fels aber öffnete sich noch eine mehrere Meter breite und mannshohe Höhle. In diese Felsennische hinein, gedeckt vor Regen und stürmenden Winden, die vom Berg her kamen, hatten die Adler aus Knüppeln und starken Reisern ihr Nest gebaut. Es war ein ausgezeichneter Nistplatz. Von den Raubvögeln war keiner im Horst. Mit Bedacht hatten die Jungen für das Unternehmen ihres zukünftigen Mitgliedes die Zeit gewählt, in der die Adler ausflogen, um Beute zu suchen. Deutlich sah Adlerfeder die zwei gesprenkelten Eier auf dem Grunde des Horstes, die er holen sollte. Schon hatte er mit der rechten Hand das Tau losgelassen und gab das verabredete Zeichen. Im nächsten Augenblick hing er, nur wenig an seinem Tau pendelnd, vor dem Sims mit dem Horst der Adler. Wenn er das Nest erreichen wollte, mußte er sich jetzt an seinem Tau hin-und her schwingen und im rechten Augenblick auf die Felsplatte hinüber springen. Einen Augenblick schaute er in die Tiefe. Am Fuße der steilen, von spitzen Graten durchzogenen Felswand sah er das blinkende Band des strudelnden und schäumenden Stromes. Für den, der hier abstürzte, gab es nur eines: den sicheren Tod. Aber der Gedanke daran kam Adlerfeder nicht. Seine Kameraden hielten das Seil. Er konnte sich auf sie verlassen. Alles andere war seine eigene Sache. Auch angesichts dieser Lage kam ihm keine Furcht. Mit den Augen maß er noch einmal die Entfernung zu dem Steinsims, auf dem er festen Fuß fassen mußte, wenn er das Seil losließ. Wenn er sich verschätzte... Er rückte den Korb auf dem Rücken zurecht, damit er ihn bei dem kühnen Sprung vom Seil nicht behindern konnte. Beide Hände schloß er jetzt fest um das Tau. Dann nahm er den Fuß aus der Schlinge und begann zu pendeln. Ein Schwung — schon gelangte er unter den Felsvorsprung, der sich wie ein vorspringendes Dach über dem Adlerhorst wölbte. Er pendelte nach draußen zurück,gab sich einen weiteren Schwung, kam näher an den Platz heran, den er erreichen mußte, schwang zum drittenmal hin und her, beim viertenmal ließ er das Seil los, und flog auf den harten Fels. Der Stoß warf ihn auf die Knie. Mit beiden Händengriff er nach einem Halt, faßte einen Buckel im Gestein, er hatte das Ziel erreicht. Hinter ihm schwang das leere Tau in derLuft. Adlerfeder drehte sich um und sah es pendeln. Er wußte,daß er nur mit Hilfe diese Seiles den Platz wieder verlassen konnte, auf den er so kühn und unerschrocken gesprungen war.Es gab keinen Weg nach oben. Und obwohl ihm so schnell vor nichts graute, vorher beim Blick in die Tiefe war ihm klar geworden,daß man über die riesige Steilwand nicht hinunterklettern konnte, ohne bei jedem Schritt seinen Hals zu riskieren. Das Tau schwang immer noch — hin und her. Aber, befreit vom Gewicht, kam es nicht mehr so nahe heran.

Da erst durchfuhr Adlerfeder von der Zehe bis zur Kopfhaut der Schreck: Wenn das Seil ausgeschwungen hatte, war es völligunmöglich, von dem Horstplatz aus wieder an das Tau heranzukommen. Der Sprung nach dem Tau konnte nur mit dem Sturz in die schaurige Tiefe enden. Die Rettung war allein möglich,wenn er augenblicklich einen Entschluß faßte. Droben auf der Felsenklippe standen die Jungen, die ihren Kameraden in dieses Abenteuer geschickt hatten. Als sie über den Beobachter das Zeichen bekamen, daß Adlerfeder tief genug abgeseilt worden war, hatte der letzte Mann am Tau das Seilende zur Sicherung schnell um einen Felsblock geschlungen. Was Adlerfelder unternahm, konnte keiner von ihnen sehen. Auch am Rande der Felsplatte stehend, verbarg ihnen das überhängende Gestein den Blick auf den Schauplatz des waghalsigen Unternehmens. Aber gerade dadurch wurde ihnen klar, welcher gefährlichen Lage sie Adlerfeder aussetzten, als sie ihm die Aufgabe stellten, als Beweis seines Mutes, die Eier aus dem Felsennest der Adler zu holen. Da war keiner, dem in diesem Augenblick nicht das Gewissen schlug. „Was sollen wir dem Häuptling sagen, wenn er nicht heil zu unserem Dorf zurück kehrt", dachte Hirschklaue.

„Wie kann ich seiner Mutter unter die Augen treten, wenn das Unternehmen mißlingt", ging es Schneller Falke durch den Sinn. Die Tipis von Adlerfeders und Schneller Falkes Eltern standen im Dorf direkt nebeneinander.

„Wie die kleinen Kinder haben wir gehandelt", schalt sich im Geheimen ein anderer, „weil wir gar nicht daran dachten, daß die alten Adler um diese Zeit zu ihrem Horst zurück kommen könnten. Adlerfeder hat nicht mal ein Messer im Gürtel und schon gar keine Tomahawk, mit dem er sich gegen die Krallen und spitzen Schnäbel der großen Raubvögel wehren könnte."

„Wir haben eine große Dummheit gemacht", sagte Silberner Wolf ehrlich, der den Vorschlag mit der Mutprobe am Adlerhorst gemacht hatte. Adlerfeder muß nun sehen, was er tun kann, damit uns nicht die Verachtung und Strafe unseres ganzen Stammes trifft."

Ein Schrei schreckte sie auf. Weißer Vogel, der Adlerfeder beobachtet hatte, stieß ihn aus. Irgend etwas geschah, was die Jungen von ihrem Platz aus nicht sehen konnten. Aber dann spürten sie schon einen Ruck am Seil, sie merkten, daßes sich straffte, Adlerfeder mußte es wieder erfaßt haben und mit seinem ganzen Gewicht an dem Tau hängen. Adlerfeder hatte sich in Sekundenschnelle entschieden. Auch ihm war es durch den Sinn gegangen, was geschehen könnte, wenn er etwa darauf warten mußte, daß ihn die Kameraden aus seiner schwierigen Lage befreiten und wenn die Adler inzwischen von ihrem Beuteflug zurückkehrten. Außerdem gab es von der Felsennische aus, in der er kauerte, keinerlei Möglichkeit,sich mit den Freunden zu verständigen. Augenblicklich mußte er zurück! Er tat den Freunden bestimmt keinen Gefallen, wenn er nicht die letzte Möglichkeit zu einem schnellen Rückzug ausnutzte und sich wieder hinaufziehen ließ. Die Adlereier mitzunehmen blieb keine Zeit. Flink streifte er darum den Korb von seinem Rücken. Alle Muskeln straffend, einer gespannten Bogensehne gleich, beobachtete er das nur noch schwach schwingende Seil. Jetzt oder nie! Mit einem kräftigen Sprung warf er sich nach vorn in die Luft. Mit beiden Händen griff er fest in das starke Tau. Er rutschte ein Stück ab. Feuer brannte ihm in den Handflächen. Aber er verbiß den Schmerz. Hauptsache, es war geschafft. Einen Augenblick hing er bewegungslos an dem gestrafften rettenden Seil, dann zog er sich ein Stück nach oben und setzte seinen Fuß in die sichere Schlinge. Er winkelte den linken Arm um das Tau und gab mit der Rechten dem Beobachter ein Zeichen. Erhörte dessen Schrei. Gleich darauf zogen die Kameraden an. Meter um Meter entfernte er sich von dem Platz, auf dem die Adler ihr Nest gebaut hatten.

Adlerfeder rechnete damit, daß ihn die Jungen nicht in ihre Sippe aufnehmen würden, weil er seine Aufgabe nicht gelöst hatte. Aber nie zuvor war es ihm so klar gewesen, daß er richtig gehandelt hatte. Mochten sie ihn verurteilen. Er hatte auch für sie sein Leben eingesetzt, als er im letzten möglichen Augenblick nach dem pendelnden Seil sprang.

Als ihn zwei oder drei der Jungen das letzte Stück über die Kante der Felswand heraufzogen, sah er schon an den Gesichtern der Kameraden, daß niemand daran dachte, ihn zu richten. Über die Adlereier fiel kein einziges Wort. Sie alle waren glücklich, daß er, abgesehen von seinen zerschundenen Händen, heil unter ihnen stand. Eigentlich unnötig zu erwähnen: Adlerfeder wurde ein Mitglied der Mohikaner.

aus Junge Schar 7/1974 von Walter Schinzer

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