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Ich sage es gleich vorab: wenn Sie diesen Text lesen werden Sie meinen: nein zu so einer Art von Eltern gehöre ich nicht. Trotzdem werden Sie bei dem ein oder anderen Beispiel vielleicht bemerken, dass Ihnen schon ähnliches durch den Kopf gegangen ist. Alle Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind, verständlich. Aber nicht alles was Eltern dabei unternehmen ist langfristig hilfreich für das Kind.
Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr. Dieser altbekannten Weisheit werden ohne Frage alle Erziehungsberechtigten dieser Welt zustimmen. Genauso werden sich viele Eltern mindestens schon einmal die Frage gestellt haben, ob sie denn in der Erziehung ihres oder ihrer Kinder alles richtig machen? Immerhin entscheidet der Erziehungsstil nicht nur über das aktuelle Zusammenleben von Kind und Eltern, sondern in nicht geringem Maße auch über das zukünftige Verhalten der Kinder. Eine besondere Art des Erziehungsstiles zeigt sich im Ausdruck „Rasenmäher-Eltern“.
Wenn der Rektor einer Schule eine Klageschrift oder ein anwaltliches Schreiben zugestellt bekommt, indem zum Beispiel gerichtliche Schritte angedroht werden, weil ein Schüler schlechte Zeugnisnoten mit nach Hause brachte, so stecken nicht selten sogenannte Rasenmäher-Eltern dahinter.
Das ist nur ein Beispiel für die Auswüchse einer Erziehungsmethode, die eigentlich keine ist. Rasenmäher-Eltern sind die Steigerung der schon länger bekannten Helikopter-Eltern. Die Merkmale dieser seltsamen Art von Erziehungsempfinden finden sich vor allem in der gebildeten Mittelschicht. Die Eltern sind in der Regel gut situiert, können auf ein geregeltes Umfeld und geordnete Verhältnisse sowie ein gutes Einkommen verweisen. Aber gerade in dieser Gesellschaftsklasse macht sich zunehmend eine eher unbegründete Paranoia breit. Zurückzuführen ist diese meist auf ein immer stärker werdendes Bombardement an schlechten Nachrichten in den verschiedenen Medien. Unter diesen Eindrücken von gewalttätigen Demonstrationen, Kriegen und innenpolitischen Streitigkeiten wird der Beschützerinstinkt der Eltern ins schier unermessliche gesteigert. Um ihrem Kind reale schlechte Erfahrungen zu ersparen, werden Rasenmäher-Eltern nicht etwa zu Problemlösern, nein, sie sorgen dafür, dass Probleme gar nicht erst entstehen. Sie mähen wie auf einem Rasen zu große Halme beziehungsweise eventuelle Schwierigkeiten für das eigene Kind einfach nieder. Das tun sie zudem sehr umfassend.
Überbehütete Kinder und die Erwartungen der Eltern
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Es betrifft keineswegs nur den schulischen Bereich, dort jedoch ist es am ehesten zu bemerken. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Eltern die Hausaufgaben der Zöglinge erledigen. Einfach um dafür zu sorgen, dass den Kindern kein Fehler unterläuft. Fehler sind im Wertesystem von Rasenmäher-Eltern nicht vorgesehen beziehungsweise so negativ behaftet, dass es fast schon einer Katastrophe epischen Ausmaßes gleichkommen würde, wenn die Hausaufgabe vom Lehrer statt mit „sehr gut“ nur mit „gut“ benotet wird. Da nun Rasenmäher-Eltern aufgrund der bereits erwähnten Paranoia auch ihren eigenen Kindern nicht trauen, machen sie die Hausaufgaben lieber gleich selber. Allerdings funktioniert dies nicht bei Klausuren und Arbeiten in der Schule, wo sich das Kind dann mitunter nicht von der, von den Eltern gewünschten, besten Seite zeigen kann. In der Folge werden Rechtsanwälte beauftragt, die Schule zu verklagen oder es kommt sogar zu Handgreiflichkeiten eines der Elternteile gegen den betreffenden Lehrer oder die Lehrerin.
Während Helikopter-Eltern sorgsam über ihren Kindern kreisen, eben wie Hubschrauber in der Verkehrsüberwachung, sind Rasenmäher-Eltern viel dichter dran an ihren Kindern. Das bezieht sich vor allem auf das soziale Umfeld und das Kind selbst. Mögliche Freunde werden kontrolliert und überprüft. Die Freizeitaktivitäten des Kindes werden in der Weise eingeschränkt, das die vollständige Kontrolle möglich ist. Gegen vermeintliche Feinde wird vorgegangen und dies mit allen verfügbaren Mitteln. Dabei meinen es die Eltern gut. Sie versuchen, das Kind vom Bösen dieser Welt fernzuhalten und das Böse lauert ja bekanntlich überall. Dass sie dem Kind nicht helfen, sondern es dabei zum asozialen Erwachsenen im Sinne des Sozialverhaltens erziehen, wird den Eltern oft nicht klar.
In Bezug auf die klassischen Erziehungsstile mischen Rasenmäher-Eltern die autoritäre mit der egalitären Erziehung. Auf der einen Seite steht absoluter Gehorsam, denn nur so können die Ziele der Eltern für das Kind durchgesetzt werden. Auf der anderen Seite wird dem Kind bei bestimmten Fragen ein gleichberechtigter Stellenwert zugestanden, jedoch nur bei Entscheidungen von geringer Bedeutung oder derartiger Entscheidungen, die nicht die Konfliktfähigkeit des Kindes, sondern sein oder ihr Selbstempfinden steigern, was kaum eine positive Eigenschaft ist. So etwa wird mit dem Kind durchaus auf Augenhöhe diskutiert, welches Müsli zum Frühstück das beste ist, oder dem Wunsch des Kindes nach bestimmten Spielzeugen wird uneingeschränkt nachgekommen. Gleichzeitig bestehen die Eltern auf die strickte Einhaltung ihrer Vorgaben bezüglich Umgang, Schule, Sport oder Hobbys. Mitunter zeichnen Rasenmäher-Eltern sich auch dadurch aus, dass sie ihren Kindern bestimmte Vorlieben einreden, weil diese ihrem Kontrollwahn entgegenkommen.
Weder der autoritäre, noch der egalitäre Erziehungsstil sind empfehlenswert, die Mischung von beiden erst recht nicht.
Da den Kindern von Rasenmäher-Eltern jegliche wirklich wichtige Entscheidung abgenommen wird, und zwar oft bis weit in die Studentenzeit hinein, fehlt ihnen später die notwendige Entscheidungsfähigkeit, mangelnde Selbstständigkeit und Selbstsicherheit. Herausforderungen können nicht bewältigt werden. Bei Fehlern wird die eigene Schuld auf andere abgeschoben und letztlich machen sich Motivationslosigkeit und ein Gefühl von Unfähigkeit breit. Das ist sicher nicht im Sinne der Eltern, die ja eigentlich wie alle Eltern nur das Beste für ihr Kind wollten.
Das Beste für ein Kind ist es jedoch, das es Freiräume besitzen darf, sich aber auch an Regeln zu halten hat. Wenn Sanktionen notwendig sind und dem Kind klar ist, das es einen Fehler gemacht hat, dann sollten diese Sanktionen beziehungsweise Strafen auch durchgesetzt werden. Jedes Kind lotet in jedem Altersabschnitt seine Grenzen aus. Diese müssen gesetzt werden, nicht zu eng, aber eben auch keine Grenzenlosigkeit. Kinder müssen zudem lernen, Entscheidungen selbst zu treffen. Das braucht vor allem Vertrauen und nicht Kontrolle.
Das eigene Kind loslassen können
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Es gibt immer wieder Eltern, die gerne während der Gruppenstunde ihr Kind beobachten wollen (also mehr oder minder dabeisitzen wollen), oder die sich permanent erkundigen ob es genug gegessen, getrunken, oder ob irgendetwas vorgefallen ist. Solche besorgten Eltern wird es immer geben. Beruhigen Sie die Eltern. Das Kind fühlt sich in der Regel wohl – auch mal ohne ständige Beobachtung der Eltern. Wenn Eltern lernen ihre Kinder loszulassen, lernen, dass sich ihr Kind schneller, besser und freier entwickeln kann, als unter ständiger „Umklammerung und Umsorgung“ der Eltern, dann haben auch diese Eltern was gelernt und dem Kind zu mehr Selbstständigkeit und Eigenständigkeit verholfen.
Für Rasenmäher-Eltern kostet es große Überwindung ihr Kind mit auf eine Freizeit zu schicken. Am liebsten würden sie da alles organisiert wissen, jeden Tag nach dem Rechten schauen, zumindest jeden Tag mit dem Kind telefonieren wollen. Ich konnte da die Eltern immer beruhigen und sie konnten jederzeit bei mir anrufen. Ich versicherte ihnen dass es ihrem Kind gut geht, dass alles ok ist und wir alles im Griff haben. In diesem Zusammenhang spielt auch das „Heraufbeschwören“ von Heimweh eine Rolle, eigentlich eher Heimweh der Eltern zu den Kindern. Aber das ist ein anderes Thema.
Allerdings wie bereits weiter oben erwähnt machen überbesorgte Eltern auch nicht vor einer Anzeige halt, wenn sie der Meinung sind, dass ihr Kind irgendwie unfair behandelt, falsch behandelt, unbeaufsichtigt war, während einer Freizeit erkrankt ist, oder sich verletzt hatte und nun der Freizeitleitung etwas in die Schuhe geschoben werden soll. Das macht Jugendarbeit nicht einfacher.
Dezember 2018
Kinder machen lassen und ihnen was zutrauen.
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